Leben und Tod im Schlamm 1942 - Der mögliche Sieg

Als das Jahr 1942 begann, wurde offenbar, dass das Unternehmen Barbarossa sein Ziel nicht erreicht hatte. Die Wehrmacht war im letzten Monat des Jahres 1941 vor Moskau zurück geschlagen worden. Dennoch, die sowjetischen Verluste waren gewaltig und ein Sieg schien nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich. An der Nordfront wurde Leningrad / Petersburg belagert und die Unterbrechung der wichtige Bahnlinie ins eisfreie Murmansk östlich des Ladogasees könnte in diesem Sommer noch erreichbar sein. An der Südfront waren die Ölreichen Gebiete des Kaukasus und die Unterbrechung der zweiten wichtigen Nachschublinie nach Persien die Ziele der Wehrmacht. Gelängen diese Operationen, wäre der verbleibende Kern Russlands nur noch über Sibirien mit den alliierten Westmächten verbunden und am Ende dieser langen Strecke eilte der deutsche Verbündete Japan gerade von Sieg zu Sieg. Die Heeresgruppe Mitte, nach wie vor die Hauptmacht der deutschen Truppen, sollte in großen Angriffsoperationen der Roten Armee weitere schwere Verluste zufügen und wichtige Industriezentren erobern.

Große Teile der Zivilbevölkerung in manchen der besetzten Gebiete, etwa in der Ukraine, aber auch im Baltikum, hatten 1941 die deutschen Truppen noch als Befreier begrüßt. Das sollte sich aber bald ändern, als die Deutschen ihr wahres Gesicht zu zeigen begannen. Im Januar 1942 fand die berüchtigte "Wannsee Konferenz" zur Lösung der "europäischen Judenfrage" statt, der direkte Massenmord im Osten hatte da aber bereits schon lange vorher begonnen (Kamenez-Podolsk, Babyn Jar, ...). Doch nicht nur Juden, sondern auch Slawen galten als rassisch minderwertig und der Hungertod von Millionen Menschen war von Anfang an eiskalt in der verbrecherischen Kriegskalkulation der Nazis und des OKWs eingeplant. Bei diesem Ausmaß an Verbrechen erscheint der sogenannte "Kommissarbefehl" - die Liquidierung von politische Kommissaren noch auf dem Gefechtsfeld - eigentlich nur als eine Randerscheinung. Allerdings mit der Ausnahme, dass diese verbrecherischen Morde direkt von der Wehrmacht ausgeführt wurden. Dieser mündliche Führerbefehl wurde von etwa 80% der deutschen Front-Divisionen befolgt und hatte die Ermordung von bis zu 10.000 gefangenen Politkommissaren zur Folge (Zahl enthält auch Morde nicht unmittelbar nach Gefangennahme, aber unter Verantwortung der Wehrmacht). Hinzu kamen die mörderischen Bedingungen in den Kriegsgefangenenlagern, die ungeheure Opfer forderten, sowie die Ermordung von zehntausenden gefangenen Sowjetsoldaten jüdischen Glaubens...

Doch wurden die deutschen militärischen Rechnungen ohne den Wirt gemacht. In der Führung der Roten Armee hatte sich mittlerweile die Spreu vom Weizen getrennt und die Verluste an führungsstarken Persönlichkeiten durch die Morde der vergangenen Jahre, angeordnet von Stalin, waren kompensiert. Man hatte sich auf die deutschen Taktiken eingestellt und begann noch Ende 1941, großangelegte Gegenoffensiven durchzuführen. So startete, in Fortsetzung einer Offensive im Dezember 1941 welche die deutschen Truppen hinter den Wolchow zurückdrängte, Anfang Januar 1942 eine weitere starke sowjetische Offensive am Wolchow, mit dem Ziel, die Blockade Leningrads zu durchbrechen. Die rote Armee erzielte nach heftigen Kämpfen bis März einen Geländegewinn von 75 KM und erreichte die Zugänge zur Stadt Ljuban. Im April wird Soldat Gruber im Zuge der notwendig gewordenen Verstärkungen an die Wolchowfront versetzt.

Das Jahr 1942 ist das am schlechtesten durch ihn selbst dokumentierte Jahr während Grubers Dienstzeit an der Front. Das einst vermutlich existierende Tagebuch des Jahres 1942 ist nicht mehr vorhanden, ebenso wenig wie die sicherlich ebenfalls existierenden Briefe an seine Eltern. Die Briefe an seine spätere Frau beginnen aber erst Ende Oktober. So klafft eine große Lücke in der Chronologie, welche allerdings durch die vielen beschrifteten Fotos von Gruber einigermaßen geschlossen wird. Aus keinem anderen Jahr sind derart viele Fotos erhalten, und so können wir anhand der Beschriftungen das Einsatzgebiet Grubers an der Ostfront großteils rekonstruieren. Den Jahreswechsel 1941/1942 über lag Grubers Einheit, nach seinem letzten Tagebucheintrag von Ende November 1941, in Ruhestellung in Gostilitzy, westlich von Leningrad.

Zeittafel 1942

März 1942: Perelesje (Bei der Recherche wurden folgende Koordinaten zu diesem Namen gefunden. Das Google-Satellitenbild zeigt vermutlich Dorfruinen, wenige Kilometer von Gostilizy entfernt. Es soll aber etwas weiter westlich noch ein weiterer Ort oder Platz dieses Namens existieren.)

Im April 1942 wird Grubers Einheit an den Wolchow verlegt.

Von Mai bis in den August 1942 folgen schwere Kämpfe am Wolchow.

Im August 1942 wird die Einheit vom Wolchow nach Kolpino südöstlich vor Leningrad zurück verlegt. Kolpino wird von Gruber auch teilweise als "Choblino" beschriftet.

Im September 1942 tauchen mehrere Ortsnamen auf. Kolpino, etwa 4 Kilometer südlich der Newa, Szablino (Sablino - sicher meint Gruber auch mit "Chablino" Sablino und nicht das teilweise Choplino geschriebene Kolpino), und der Newa Bogen.
Die Einheit kommt in Ruhestellung nach Uljanowka, einer Stadt deren Bahnhof aus historischen Gründen den Namen Sablino trägt. Dort finden mit entsprechendem Zeremoniell Ordensverleihungen statt. Auch Gruber erhält das EK II, auf das er offensichtlich sehr stolz ist.

Im Oktober 1942 befindet sich der Battallionsgefechtsstand bei Krasni Bor (Krasnyy Bor), etwa 4 Km südöstlich von Kolpino.

Im November 1942 wird Grubers Einheit nach Cholm (Kholm) in den Mittelabschnitt zur Partisanenbekämpfung verlegt.