Goldschätzchen, stell Dir doch einmal vor, der Krieg sei aus

Feldpost - Briefe des Soldaten Lothar Gruber
1942-1944

Eine Auswahl in Auszügen
Dritter Jahrgang
Juni 1944

271.
Insterburg, 8.6.1944
Mein herzallerliebstes Frauchen!
Hier habe ich nun 1 Stunde Aufenthalt und die will ich schnell benützen um Die ein paar Worte zu schreiben. Die Fahrt verlief sehr gut. Bis Nürnberg musste ich stehen, dann gab es Platz. In Berlin hatte ich gleich Anschluss. Um 8:15 Uhr kam ich an, dann schaute ich am Fahrplan, holte mir bis hier D-Zug Genehmigung u. um 9:35 fuhr ich weiter. Die Zeit hat gut gereicht, denn ich musste erst noch ein Ende durch Berlin fahren. Nun ist es 9 Uhr und um 10 Uhr fahre ich weiter. Ich bin dann kurz nach 11 Uhr an der Grenze. Also immer noch pünktlich.
Mein liebstes Goldschätzchen, wie geht es auch Dir? Wie hast Du wohl den ers­ten Arbeitstag verbracht? Hast Du auch Deine Lebensmittelmarken alle bekom­men? Ach meine über alles geliebte H..., dieser Abschied ist mir doch sehr schwer gefallen. Ich habe ordentlich Heimweh nach Dir. Ach hoffentlich müssen wir nicht wieder so lange warten. Mein liebstes Goldschätzchen, schicke mir doch gleich die Bilder von den anderen Filmen, wenn sie fertig sind, denn ich möchte Dich recht recht oft bei mir haben. So will ich nun für heute schliessen. Sei von ganzem Her­zen recht lieb gegrüsst u. innigst geküsst
von Deinem treuen
Lothar
Viele Grüsse an unsere Eltern.
Ich werde Ihnen morgen früh schreiben

273.
Osten, 11. Juni 1944
Meine herzallerliebste H...!
Sonntag Vormittag und wieder weit in Russland. Ja mein Liebling, nun sind wir an der Endstation der Eisenbahn angelangt u. wir fahren sehr wahrscheinlich erst morgen früh mit einem Auto zu unserer Einheit. Nun sind wir wieder so weit auseinander. Ich kann es noch gar nicht fassen und meine halt immer, wir müssten uns recht bald wiedersehen. Mein liebstes Goldschätzchen, wie schön war es doch noch vor einer Woche. Aber nun ist alles wieder vorbei. Wir wollen hoffen, dass es diesmal nicht mehr so sehr lange dauert. ...

274.
Osten, 13. Juni 1944
Meine liebste H...!
Ich will Dir noch kurz ein paar Zeilen schreiben. Ich bin nun gestern wieder gut hier gelandet. Meine Einheit liegt etwas weter Rückwärts u. macht Ausbildung. Na so kann ich mich wenigstens so langsam wieder angewöhnen. Heute muss ich mich noch für die morgen stattfindende Übung vorbereiten u. da es morgen sehr spät wird, kann ich da vielleicht auch nicht schreiben. Ich schreibe Dir dann so bald wie möglich ausführlich von hier.
In der Hoffnung, dass bald ein lieber Brief von Dir eintrifft grüsst u. küsst Dich viel tausend Mal von ganzem Herzen, Dein Dich ewig treu liebender
Lothar

275.
Osten 14. Juni 1944
Meine über alles geliebte H...!
Nun komme ich doch noch dazu, Dir ein kleines Brieflein zu schreiben. Mein liebstes Goldschätzchen, nun habe ich hier noch drei liebste Briefe von Dir erhal­ten, über die ich mich noch sehr gefreut habe. Da ist erst mal ein Brief vom 20.4., in dem Du so von dem schönen Wetter u. einem Spaziergang schwärmst, so Hand in Hand, nach getaner Arbeit. Ja, damals hatte ich ich auch nichts sehnlicher ge­wünscht, als endlich einmal wieder bei Dir zu sein. Dass es aber so rasch wahr wurde, habe ich selbst nicht gedacht.
Dann kommt Dein lieber Brief vom 23.4. Da war es auch so schönes Wetter und Du warst schon vor 1 Uhr fertig. Als Du ihn geschrieben hast, haben wir doch beide nicht gedacht, dass wir 14 Tage später unsere so grosse Sehnsucht für ein Weilchen begraben können. Da war es aber auch kaum mehr zum aushalten. Und nun noch Dein liebes Brieflein vom 3.5.44. Ja, da war ich ja schon auf dem Wege zu Dir. Ach mein liebstes Goldschätzchen, ich kann Dir das Gefühl gar nicht beschrei­ben, das ich da hatte, als ich so plötzlich fahren durfte. So sehr ich diesen Augen­blick all die Monate herbeigesehnt hatte, so war es doch eine grosse Überraschung. Ach mein liebstes Goldschätzchen, das war mehr wie Glück und Freude. Und nun? Jetzt ist alles so rasch vorbei gegangen und die Sehnsucht nach meiner über alles geliebten Frau ist wieder da. Hoffentlich wird sie nicht auf eine allzu harte Probe gestellt.
Mein herzallerliebstes Goldschätzchen, zu meiner allergrössten Freude erhielt ich nun heute Dein erstes liebstes Brieflein nach dem so überaus schönen, herrli­chen und glücklichsten Urlaub. Ich danke Dir dafür von ganzem Herzen. Ach mein süsser goldiger Liebling. Jedes Wort bereitet mir ja so unendlich viel Freude und sie wecken immer die schönsten Erinnerungen an gemeinsam verbrachte u. so überaus glückliche Stunden. Ach ja, meine liebste H..., so leicht war der Abschied diesmal doch nicht. Ich bin noch gar nicht hier. Meine Gedanken sind immer nur bei Dir u. da wir ja wirklich Ausbildung machen, musste ich mich schon öfter mit Gewalt losreissen, sonst wäre ich bald aufgefallen. Na ja, so langsam kommt das auch wieder. Ich würde ja die Zeit bis zu unserem nächsten Wiedersehen am liebsten in so einem Traumzustand verbringen. Wenn ich mich des Abends hinlege, dann fehlt mir halt immer mein Frauchen. Es ist immer so einsam u. ich würde Dich am liebsten mit meinen Gedanken herbeiholen.
Mein liebstes Goldschätzchen, von Stgt. seid ihr also gut heimgekommen und es hat keine Tränen mehr gegeben. Das ist aber recht. Es hilft ja alle Traurigkeit nichts. Meine liebste H..., nun bin ich ja gespannt, wie Dein erster Arbeitstag ver­laufen ist und wie sich die hm... Herrschaften verhalten haben! Ach hoffentlich darfst Du recht recht bald weg gehen.
Ja meine über alles geliebte H..., das geht nicht nur Dir so, dass Du Verlangen nach einem Küsschen hast. Im Gegenteil, so bescheiden bin ich nicht mal. Ich habe schon nach vielen Küsschen Verlangen. Na, vielleicht bekommen wir bälder wieder eines wie wir denken, aber vorläufig kann man ja noch gar nichts sagen. Seit ich weg bin, sind 20 Mann gefahren, aber nun ist leider mal wieder Urlaubs-Sperre. Na hoffentlich dauert sie nicht so sehr lange. Es wird ja nun bald überall Sperre sein. Aber es geht alles vorüber, nur unsere Liebe und unser Glück werden ewig sein u. vor allem auch unsere Treue.
Mein über alles geliebtes Frauchen, sei nun für heute viel tausend Mal von ganzem Herzen recht lieb gegrüsst u. innigst geküsst von Deinem treuen
Lothar
Liebstes Goldschätzchen, nun habe ich das Gedichtchen gefunden, das ich Dir im Urlaub sagen wollte. Es ist von "Keller!"
Alldieweil Lieb´ bei Lieb´ ist, weiss Lieb´ nicht, wie lieb Lieb´ ist.
Wenn aber Lieb´ von Lieb´ scheidet, weiss Lieb´ wohl, wie lieb Lieb´ war!
Na stimmt das vielleicht nicht?
Und nun hoffe und wünsche ich von ganzem Herzen, dass recht bald in einem Brief von Dir ein Gruss von Peterle od. Isolde drin steht!!!

277.
Osten, 17. Juni 1944
... Gestern ist mir dies allerdings nicht mehr möglich gewesen. Warum will ich Dir gleich schreiben. Wir hatten nämlich gestern einen sehr netten Tag. Morgens hatten wir unseren üblichen Dienst. Waffen.- und Geländeausbildung und Unterricht. Mittags war dann das Frontkino mit "Bismarck" hier und dann kamen 2 Musiker mit Geige und Schifferklavier von der Division zu uns. Wir hatten noch etwas Kognak und Wein und so wurde es ein sehr netter, lustiger, feuchtfröhlicher Abend. Da war es natürlich mit dem Schreiben nichts mehr. Jetzt soll ich auch schon wieder weg. Es warten 2 Kameraden auf mich zum Skat spielen. Na ich will ihnen die Freude machen, denn wenn ich dann nachher alleine bin, dann kann ich mit meinen Gedanken so ganz ungestört bei Dir sein und so ist es doch am schönsten. ...

278.
Osten, 18. Juni 1944
Mein herzallerliebstes Goldschätzchen!
Nun ist auch der Sonntag wieder zu Ende. Ich hatte heute leider wenig Zeit. Unser lieber General hat sich heute verabschiedet und morgen haben wir wieder eine grosse Übung. Es geht schon um 4 Uhr früh heraus.. Da gab es natürlich aller­hand zum vorbereiten. Sonst geht es mir immer noch gut, was ich ja auch ganz be­sonders von Dir, meine über alles geliebte H... hoffe. Ach wenn ich doch nur bei Dir sein könnte. Es sind ja nun schon 11 Tage, seit ich von Dir weg bin, aber ich kann es doch noch nicht ganz überwinden. Meine Gedanken sind immer nur bei Dir. Diese Nacht habe ich von Dir geträumt. Ich war ein paar Mal aufgewacht, aber die schönen Bilder sind trotzdem nicht verschwunden u. wenn ich wieder einge­schlafen war, ging es gleich weiter. ...

279.
Russland, 19. Juni 1944
Mein herzallerliebstes Frauchen!
Nun ist unsere grosse Übung auch wieder zu Ende und somit geht auch dieser Tag wieder seinem Ende zu. Es war heute ein herrliches Wetter und da ist mancher Tropfen Schweiss geflossen. Es war aber sehr nett. Wir sind heute früh um 5 Uhr 30 Minuten hier abmarschiert, bei strahlendem Sonnenschein. Dann haben wir eine Angriff und eine Abwehr durchgespielt. Es war ein gemütlicher Krieg. Um 11 Uhr sind wir dann wieder eingerückt. Beim Heimmarsch gab es noch einen netten Zwi­schenfall. Wir wollten den Weg abschneiden und sind dabei an einen Bach ohne Brücke gekommen. Was nun, hinüber mussten wir. Da versuchten sie erst mal wie tief er war. Es war über einen Meter und etwa 3 Meter breit. Nun hatten wir aber alle unsere feldmarschmässige Ausrüstung an und es war gar nicht so einfach, da hinüber zu springen. Ich habe da nun kurz entschlossen den Anfang gemacht und bin auch gut hinüber gekommen. Nun hatten sich noch mehr gefunden, die den Mut aufbrachten. Aber oh weh! Der erste kam noch einigermassen gut rüber. Dann ging es los. Einer nach dem anderen wurde ganz schön nass und es gab bei jedem Sprung ein ganz schönes Gelächter. Sie wollten nun schon nicht mehr, da gab ih­nen unser Chef den Befehl dazu und sprang gleich rüber. Er wurde auch etwas nass und gleich hinter ihm fiel einer ganz rein. Heute Mittag haben wir ein Preis schiessen gemacht, bei dem ich mit meiner Gruppe am besten abgeschnitten habe.
Mein über alles geliebtes Goldschätzchen, nun habe ich aber genug von mir geschrieben. Wie geht es denn auch Dir? Ich hoffe und wünsche ja nur das aller­beste. Jetzt ist es 10 Uhr 15. Was wirst Du wohl jetzt gerade machen? Ob Du wohl schon im Bett bist? Nun wird es ja hoffentlich bald so weit sein, dass Du deine neue Stelle antreten kannst. Ich hoffe ja, dass Du eine recht gute Stelle bekommst, oder aber gleich heim darfst. Das wäre ja eigentlich das Beste. Aber da werden wir noch ein Weilchen warten müssen. Meine über alles geliebte süsse goldige Frau, ich habe ja so grosse Sehnsucht nach einem Küsschen von Dir. Ach wie schön und herrlich wäre es doch bei Dir. Wenn nur recht bald wieder eine Zeit kommt, wo ich wieder bei Dir sein darf. Ach am liebsten aber gleich für immer. Das wäre ja so un­endlich schön! Heute bei diesem herrlichen Wetter hatten wir so einen wunderba­ren Spaziergang machen können. Ach mein herzallerliebstes Goldschätzchen, ich will Dir da bestimmt keine Hoffnungen machen, aber ich meine halt, dass der Krieg nun sehr rasch zu Ende geht. Die letzte u. grösste Entscheidung fällt diesen Sommer bestimmt noch und dann lässt der endgültige Sieg auch nicht mehr lange auf sich warten. Ach mein süsser Schatz, wie schön wird es dann erst mal werden. Ich freue mich ja schon so sehr auf unser Wiedersehen.
Nun will ich schliessen in der Hoffnung, dass ich recht bald wieder Post von Dir bekomme und dass ich recht bald wieder bei Dir sein darf.
Sei nun für heute viel tausend mal von ganzem treu liebenden Herzen ge­grüsst und innigst geküsst
von Deinem Lothar
Recht herzliche Grüsse an unsere Eltern u. an Liesel!

281.
Osten 21. Juni 1944
...
Mein liebstes Goldschätzchen, es freut mich ja so sehr, dass Du nun nicht mehr so viel arbeitest u. dass Dir Dein Chef keine Vorhaltungen macht. Das wird ihm ja doch gereicht haben. Jetzt wird er doch gemerkt haben, dass das alles nicht so einfach ist, wie er sich das gedacht hat. Ja, man muss solche Leute nur richtig anfassen, dann geht alles. Und Du hattest erst nicht geglaubt, dass wir recht be­kommen. Aber mein herzallerliebstes Goldschätzchen, da gibt es doch nichts zu danken. Das war nur meine Pflicht, dass ich in diese Verhältnisse erst mal etwas Ordnung rein gebracht habe. Ich kann da doch nicht einfach zusehen, wie so ein Kerl mein allerliebstes bestes Frauchen ausnützt, nur weil sie viel zu gut ist. Das geht beim besten Willen nicht. ...
Mein allerliebstes Goldschätzchen, mir geht es immer noch ganz gut. Wir lie­gen immer noch in Ruhe und machen Ausbildung. Es ist bis jetzt auch noch nichts los bei uns. Heute geht ja nun das 3. Kriegsjahr in Russland zu Ende. ...

(OHNE NUMMER)
Osten, 25. Juni 1944
Meine allerliebste süsse Gattin!
Ja, nun musstest Du mal wieder länger auf Post von mir warten, aber leider hatte ich seither keine Zeit zum Schreiben. Warum, wirst Du gleich erfahren. Zu­erst mal meinen allerherzlichsten Dank für deine allerliebste Briefe die ich inzwi­schen wieder erhalten habe. Ach mein über alles geliebtes Goldschätzchen ist ja so fleissig im Schreiben, dass ich aus Freude gar nicht mehr heraus komme.
Nun will ich Dir mal erst noch berichten, was ich so in den letzten Tagen ge­macht habe. Am 22. Juni ging es früh los zu einer grossen Übung mit Sturmge­schützen. Wir waren schon bald am Ziel, da kam ein kleiner Zwischenfall. Um 8 Uhr ging ein ganz schönes Trommelfeuer los und der Russe griff an. Wir machten darauf sofort kehrt, da wir Reserve waren, um unseren Kameraden zu helfen. Der Russe war inzwischen eingebrochen und hatte eine beherrschende Waldhöhe be­setzt. Dadurch kamen wir am Tage nicht mehr ran. Wir warteten also die Nacht ab und sonnten uns in der Zwischenzeit. Um 19:30 gingen wir dann los in die Bereit­stellung. Es ging alles ganz gut und um 22 Uhr 15 griffen wir dann an. Es war ein ganz schöner Rabatz, aber wir hatten in kurzer Zeit wieder die ganze Stellung in unserer Hand. Dabei hatten wir nun Ausfälle und da musste ich die Kompanie füh­ren. Wir haben dann noch einen Wald durchkämmt und einige Russen gefangen. Bei der ganzen Aktion habe ich die Kompanie gut durchgebracht und konnte sie ordnungsgemäss an einen Offizier wieder übergeben. Und nun sind wir wieder in einer Stellung und ich mache jetzt Kompanie-Trupp-Führer. Das ist auch mal ganz nett. Ich habe da allerdings viel Arbeit. Ich habe den ganzen Tag eine Menge zu schreiben u. zu telefonieren, aber es ist doch nicht so gefährlich.
Nun mein über alles geliebtes Goldschätzchen, will ich zu Deinen so lieben Briefen kommen und sie hinter einander beantworten. Zuerst mal deinen so lieben Brief vom 12.6. An diesem Tag hast Du immer noch vergebens auf Post gewartet. Ach meine über alles geliebte süsse Frau, ich kann es Dir gut nachfühlen, wie Du darauf gewartet hast. Mir ging es gerade so. Ich habe am zweiten Tag schon gefragt, ist keine Post für mich dabei u. es konnte ja noch nicht sein. Den Brief hätte ich schon selbst mitnehmen müssen. Nun hattest Du also schon mal gewusst, dass Du in die­ser Woche noch etwas näheres über Deine neue Stelle erfährst. Ich hoffe, dass es nun inzwischen geklappt hat und dass Du vor allem eine recht gute Stelle bekom­men hast.
Mein herzallerliebstes Goldschätzchen,ich muss heute leider noch auf solches Papier schreiben, da unsere Sachen noch nicht hier sind. Sie kommen alle erst morgen Abend nach vorne. Aber das ist ja nicht so schlimm.
Und nun zu deinem liebsten Brief vom 13.6. Da hast Du also doch meinen ers­ten Brief erhalten. Ja, es braucht halt alles seine Zeit, aber nun wirst Du sie ja wie­der regelmässig bekommen. Nur diesmal hat es halt etwas länger gedauert, aber dafür wird er nun auch etwas grösser. Ja mein liebstes Schätzle, den Brief hatte ich noch an Deine Adresse geschickt, denn so rasch konntest Du doch nicht weg sein. Nun hat also mein goldiges Fraule schon eine neue Stelle angesehen, die Dir aber noch nicht richtig zugesagt hat. Na ja, Du kannst Dir ja sicher auch noch etwas an­deres raussuchen und ich hoffe, dass Du das richtige auch finden wirst. Ja diese Stelle ist schon etwas weit weg. Steinmetz hat also nun schon ein Mädel und nun bist Du ja schon einige Tage weg von ihm. Na, dann kannst Du vielleicht noch ein paar Tage zu Hause bleiben, bevor Du Deine neue Stelle antreten musst. Ach es wäre ja zu schön, wenn Dich das Arbeitsamt autauschen könnte.
Mein liebstes Goldschätzchen, nun ist der Peter, dem Du geschrieben hattest so schwer verwundet. Das ist arg, wenn man noch so jung ist und die schönste Zeit seines Lebens noch vor sich hätte. Ja, aber das liegt nur in Gottes Hand und wir dürfen nur nie den Glauben an seine alles umfassende Güte u. Barmherzigkeit ver­lieren, sondern müssen immer fest auf ihn vertrauen. In seiner Hand liegt unser Schicksal u. unser Leben und ich bin fest davon überzeugt, dass er alles recht und gut macht. Aber das alles richtet sich genau nach unserem Leben. So wie wir zu Gott stehen, so steht er auch zu uns. Glaube mir mein über alles geliebtes Gold­schätzchen, als wir zu diesem Angriff antraten, bei diesem mörderischen Feuer, da hatte ich doch ein wenig eine schwache Stunde. Aber dann habe ich mit einem Ge­bet Gott angerufen und ihn um seinen Schutz gebeten, ihm aber mein Leben ganz in seine gütigen Hände gelegt. Mein liebstes Schätzchen, Du darfst es mir ehrlich glauben, es kam wieder eine grosse Ruhe über mich und unser lieber Gott hat seine Hände schützend über mich gebreitet und mich gut durch alles hindurch geführt. Ich vergesse es auch nie ihm immer wieder dafür zu danken, wenn ich wieder einen Tag oder eine Nacht gesund verbracht habe. Mein liebstes Schätzchen, ich glaube auch, dass uns ein fester Glaube ein gutes Fundament für unser beiderseiti­ges Verstehen u. Glück abgibt. Daran wollen wir immer wieder denken.
Mein über alles geliebtes süsses goldiges Fraule, nun bin ich so fest wieder in dies Thema reingekommen. Ach weisst Du, darüber könnte ich mich stundenlang unterhalten. Es ist ja doch zu schön, wenn man erst den ganzen tieferen und wah­ren Sinn unserer Kirche begriffen hat u. ich bin wirklich froh und glücklich, dass ich gerade durch Dich dahin gekommen bin. So, nun aber zum Ende dieses Brie­fes. Die Lebensmittel-Marken hattest Du also noch gar nicht verlangt. Na hoffent­lich hast Du sie bei der Abrechnung noch erhalten, oder hast Du sie vergessen?
Nun mein liebstes Frauchen, kommt Dein liebster Brief vom 14. an die Reihe. Da hat Dich nun auch der Brief aus Wirballen erreicht. Ja ja, damals war mein Herz noch schwer vom Abschied. Nun geht es ja wieder ein klein wenig besser, aber die grosse Sehnsucht nach Dir verlässt mich nicht. Sie wird mein ständiger Begleiter sein, solange ich von Dir fort sein muss. Ach wie oft haben wir uns schon so unter­halten, über irgend welche Geschehnisse. Vor allem wenn dann die Sonne so herr­lich scheint, dann kommen immer wieder die selben Gedanken; ach, jetzt zu Hau­se sein, bei der Frau, bei der Braut, oder bei den Eltern. Und dann geht es los, was man bei so einem herrlichen Tag alles anfangen könnte. Der eine ist fürs Paddeln, der andere fürs Baden, für eine Wanderung, für eine Radtour usw. Und dann wer­den so die schönsten Gebiete unserer Heimat durchgesprochen. Jeder weiss ir­gendwo ein schönes Fleckchen, das sich Heimat nennt und dann kommen wieder die schönsten Erinnerungen an Tage aus dem Urlaub. Und dann kommt meist das letzte, wann werden wir wohl wieder zu Hause sein. Dann wird gerechnet u. zum Schluss stimmt die Rechnung doch nicht. Na ja, nur die Hoffnung nicht verlieren. Wer weiss, wie schnell der Krieg ausgeht. Vielleicht sehen wir uns ja alle viel früher als wir denken.
Mein liebstes Goldschätzchen, es ist ja so lieb von Dir, dass Du in deinen Ge­beten immer an mich denkst u. so mache es auch ich und es soll ein kleiner Dank für all Deine Liebe und Treue sein. Und wenn wir immer mit gläubigem Herzen Gott vertrauen, dann wird er auch immer bei uns sein und uns beistehen.
Mein über alles geliebtes Goldschätzchen, dass es Dir immer gut geht, freut mich ja ganz besonders und ich hoffe und wünsche von ganzem Herzen, dass es auch immer so bleiben möge. Bei Dir ist also nach alles beim Alten. Na dann klappt es also vielleicht doch noch. Ach mein lieber süsser goldiger Schatz, ich wäre ja so unendlich glücklich. Aber zu gerne wäre ich halt dann in dieser schweren Zeit bei meiner über alles geliebten Frau. Na aber bis dahin kann noch sehr viel passieren. So weit können wir ja nicht voraussehen. Inzwischen warst Du ja sicher beim Arzt. Ach, hoffentlich konnte er Dir schon etwas genaueres sagen. Das wäre ja sehr fein.
Mein liebes Gutes herziges Fraule, dass sich der Steinmetz so anständig gegen Dich benimmt, ist wirklich erfreulich. Ich wollte es ihnen ja auch raten. Na sie wis­sen ja jetzt, dass ich mir nichts gefallen lasse und auf meinem Recht bestehe. Da werden sie sich hüten, denn es wäre ja nur ihr eigener Schaden. So ist es richtig, wenn Du zur rechten Zeit anfängst, und auch pünktlich Feierabend machst. Dass die Zeitung noch nicht gekommen ist, das ist ja allerhand. Es war doch inzwischen auf Stuttgart kein Angriff, dass das alles so langsam geht.
Nun will ich für heute schliessen.
Viele tausend liebste Grüsse und innigste Küsse
von Deinem
Lothar

283.
Osten, 27. Juni 1944 Montag 11:30 h.
... Mein über alles geliebtes Goldschätzchen, eine sehr grosse Freude machte mir Dein liebster Brief vom 15.6. So, eine Luftschutzübung hast Du also auch mal mit­gemacht. Na hoffentlich müsst Ihr nicht im Ernst ausführen, was Ihr da gelernt habt. Ach mein herzallerliebstes Schätzchen, das war eine Freude als ich las, dass Du bei einem Arzt gewesen bist. Er meint also ganz bestimmt, dass es was wird! Na, dann wird es ja auch so sein. Ach mein süsser goldiger Schatz, Du kannst Dir ja kaum vorstellen, wie ich mich darüber freue. Wenn ich doch jetzt nur bei Dir sein dürfte. ...
Nun musst Du also etwa am 6. Juli wieder zum Arzt. Na dann kann er es Dir aber ganz bestimmt sagen. Frau Dossmann will Dich nun also an eine leichte Stelle schicken. Das ist ja sehr nett und lieb von Ihr, aber das Arbeitsamt will Dich nicht überweisen. ...
Dass Ihr vor den Fliegern Ruhe habt, freut mich sehr und wir wollen hoffen, dass es nun auch immer so bleibt. ...
Aber mein liebster Goldschatz, ich kehre ganz sicher wieder gesund zu Dir zu­rück. Wo Du bei unserem lieben Gott immer darum bittest. Diese Bitte wird er Dir auch ganz bestimmt erfüllen. ...

284.
Osten, 28. Juni 1944
...
Mein herzallerliebstes Goldschätzchen, aus diesem Brief spricht ja nicht nur aus, sondern auch zwischen den Worten so unendlich viel Liebe und ein grosses Glück. Ach es ist doch zu schade, dass ich jetzt nicht bei Dir sein darf. Was für unendlich schöne und glückliche Stunden würden wir nur verbringen. Aber so muss ich nun halt warten und geduldig sein. Das Warten würde ja noch gehen, weil man ja doch nichts daran ändern kann, aber die Sehnsucht, die man so einfach nicht los wird! Da fällt einem das geduldig sein oftmals sehr schwer. Na, aber wir werden auch diese Zeit voll gut überstehen. Es ist ja hoffentlich das letzte Mal, dass wir so lange warten müssen. Der Krieg geht ja nun doch so langsam aber sicher seinem Ende zu. ...

285.
Osten, Donnerstag, 29. Juni 1944
"Peter und Paul"
...
Wir haben die ganze Woche schon ein ganz wunderbares Wetter. Die Sonne meint es wirklich gut mit uns, denn sie scheint von früh bis abends in voller Pracht. Nacht wird es bei uns zur Zeit wieder überhaupt nicht, aber das ist ganz gut so, dann kann sich der böse Feind nicht im Schutze einer Rabenschwarzen Nacht anschlei­chen. ...
Ach mein liebstes Goldschätzchen, ich bin ja so froh und ich wünsche Dir von ganzem Herzen alles alles Gute und eine recht recht schöne und gute Stelle. Dein alter Chef hat da ganz recht wenn er gesagt hat, dass das zum Schluss hätte anders ausgehen können. Er braucht gerade noch frech werden. wenn es anders ausge­gangen wäre, dann hätte es ihm ja bald Haus und Hof gekostet. Ein Beispiel: Ein Kamerad von mir war jetzt auch im Urlaub. Er hat zu Hause eine eigene Metzgerei. Dafür dass seine Frau 500 gr. Speck ohne Marken abgegeben hat, wurden sie mit 6 000 Mark bestraft. Ich glaube dass man da zu Steinmetz nichts mehr sagen braucht. Aber wie Du schreibst, das geht uns ja nun nichts mehr an. ...